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NZZ Donnerstag 25. April 2024
Das Zürcher Theater Stok sucht einen Sponsor

Die Kleinbühne erhält keine Subventionen mehr und steht vor dem Aus – nun hat sie einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen

Francesca Prader

Zwei Kerzen erleuchten das Gewölbe des Theater Stok im Zürcher Kreis 1 unweit des Kunsthauses. Das «welt-berühmte Medium Signora Stella» stellt ihre rot leuchtende Kristallkugel auf ein Tischchen in der Mitte der Bühne und setzt sich auf einen Hocker. «Turicum schluckt Vorhänge! Turicum spuckt Vorhänge.» Unzählige goldene Pailletten, die Schal und Kleider schmücken, klimpern bei der kleinsten Bewegung.

Signora Stella schliesst die schwarz geschminkten Augen, reibt sich die Stirn und klagt mit dem rollenden «R» eines theatralisch-südländischen Akzents über die Lasten des Daseins als Medium. Den Theaterdirektor Peter Doppelfeld, der wissen möchte, was ihre kryptischen Botschaften bedeuten, versucht sie auf später zu vertrösten, bis er die magisch anmutende Frage «Gehen Sie nie ins Theater?» formuliert und es so schafft, sie ins Hier und Jetzt zu holen.

Medium und Theaterdirektor

Das Hier und Jetzt ist ein Mittwochvormittag, der Anlass eine Medieninformation der ungewohnten Art. Die Wahrsagerin Signora Stella heisst im richtigen Leben Christina Steybe und ist Schauspielerin, Peter Doppelfeld leitet das Kleintheater – und wäre vermutlich nicht unglücklich, tatsächlich einen Blick in die Zukunft werfen zu können. Denn diese ist bestenfalls ungewiss, schlimmstenfalls düster.

So zumindest erscheint es, als das Medium und der Theaterdirektor den drei Zuschauern und dem Techniker gesten- und metaphernreich nacherzählen, was sich im Jahr 2023, als «der Schneemann fast eine Stunde lang brennen musste, bis es knallte», ereignet hat. Ein ganz böses Omen sei das gewesen, sagt Doppelfeld händeringend. Noch bevor der Sommer kam, wurde bekannt, dass die beiden Kleintheater Keller 62 und Stok keine städtischen Subventionen mehr erhalten werden. Nicht innovativ und inklusiv genug seien sie, das Theater Stok zudem zu vergangenheitsbezogen, urteilte die zuständige Jury, die entschied, wer gemäss dem neuen Förderkonzept für Tanz und Theater von der Stadt unterstützt werden soll.

Die Kritik am Subventionsstopp liess damals nicht lange auf sich warten. Beide Theater gelangten an den Bezirksrat – ohne Erfolg. Politikerinnen und Politiker machten ihrem Unmut darüber, dass neu das Zirkusquartier städtische Gelder erhalten soll, aber die beiden etablierten Kleinbühnen nicht, Luft. Auch Kunstschaffende weibelten für den Erhalt der beiden Bühnen. Der Zürcher Schwulenaktivist Ernst Ostertag wandte sich in einem offenen Brief an Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP). Zudem sammelten die Kleintheater Unterschriften. Innert vier Wochen kamen 6472 zusammen. Am Entscheid zur Verteilung der Fördergelder war dennoch nicht zu rütteln. Noch bis 2025 erhalten die beiden Kleintheater Abfederungsbeiträge, um sich neu zu orientieren. Beim Keller 62 sind es 150 000 Franken, beim Theater Stok 270 700 Franken.

Als der Böögg nicht brannte

«Was ist los mit der Zürcher Theaterlandschaft?», will Doppelfeld von Signora Stella im Theater Stok wissen. Sie sieht drohende Signale. «Turicum schluckt Vorhänge! Turicum spuckt Vorhänge», wiederholt sie beschwörend. Das heisse wohl «Theater gehen zu, Theater machen auf». Zürich liege in Trümmern, sagt Signora Stella mit zittriger Stimme. Am Tag des Entscheids sei das Zürcher Stadthaus eingestürzt.

Wie soll es nun, «im Jahr, als der Böögg nicht brannte», weitergehen? Während der Keller 62 den Entscheid des Bezirksrats ans Verwaltungsgericht weitergezogen hat, haben Peter Doppelfeld und seine Mitstreiter im Theater Stok einen anderen Weg eingeschlagen. «Wir haben schon zu viel Geld für einen Anwalt ausgegeben», resümiert Doppelfeld. Einen Lichtblick gebe es aber, sagt er, und zwar in Bezug auf den weiteren Verbleib des Theater Stok in seinen angestammten Räumlichkeiten am Hirschengraben. Das Gebäude gehört der Stadt, der Mietvertrag ist an Subventionen gebunden. Mit dem Ende der städtischen Gelder mussten Doppelfeld und seine Leute befürchten, dass der Vertrag nicht erneuert werden könnte.

Diese Befürchtung ist inzwischen zerstreut. In einer Absichtserklärung, welche der NZZ vorliegt, hat sich die Stadt bereit erklärt, dem Verein Theater Stok die Räume auch dann noch zu vermieten, wenn der Verein nicht mehr unterstützt wird. Voraussetzung sei unter anderem, dass der Verein Miete bezahle. Die Details des neuen Mietvertrags müssen noch verhandelt werden. Doppelfeld rechnet mit gut 64 000 Franken Miete pro Jahr. Es ist ein Betrag, den sich das Theater Stok nicht leisten kann. Man habe gehofft, dass man sich auf einen symbolischen Mietbetrag würde einigen können – vergeblich. «Das käme einer Subvention gleich, und die ist ja gestrichen», sagt Doppelfeld.

Unverständnis bleibt

Doch nun, da die Absichtserklärung der Stadt da sei, «können wir uns endlich auf die Suche nach dem nötigen Geld machen», sagt Doppelfeld. Damit die Scheinwerfer im Theater Stok auch nach 2025 – wenn die Abfederungsbeiträge der Stadt enden – noch leuchten könnten, brauche es einen Sponsor oder eine Mäzenin, erklärt Doppelfeld. Das Ziel sei, eine Million Franken für die nächsten vier Jahre aufzutreiben. Gelinge das nicht, sei das Theater Stok Geschichte.

Im fiktiven Gespräch mit Signora Stella erinnert Doppelfeld daran, dass Emil Bührle in den 1940er Jahren dem Zürcher Kunsthaus 2 Millionen Franken für einen Erweiterungsbau des Museums gespendet habe. Zu möglichen Geldgebern für das Theater Stok will Doppelfeld sich nicht äussern, es sei noch zu früh dafür. Die Stadt Zürich habe angeboten, bei der Suche nach Geldgebern zu helfen.

Auch Lubosch Held, Leiter des Keller 62, gibt sich auf Anfrage gegenüber der NZZ kämpferisch. Der Prozess am Verwaltungsgericht sei auf Kurs, seit Februar warte man nun auf ein Urteil. Auch zwölf Monate nach dem Entscheid um die Subventionen sei die Unterstützung für den Keller 62 riesig.

Nach wie vor sei unverständlich, wie die Stadt den Kleinbühnen die Unterstützung streichen und gleichzeitig behaupten könne, sie wolle sie erhalten, sagt Held. «Kein Theater der Welt kann sich ohne Subventionen neu ausrichten.» Es mute zynisch an, dass die Stadt gleichzeitig Millionenbeträge in die Rote Fabrik einschiesse, welche knapp vor dem Ruin stehe. Gleichzeitig würden zwei Theater, «die billiger nicht sein könnten und gut funktionieren», ausgelöscht.


Gegen den Entscheid des Stadtrates, das THEATER STOK ab 2026 nicht mehr zu subventionieren, reichten wir einen Rekurs ein. Der – leider negative – Entscheid des Bezirksrats kam im Januar.

We make it
Am Freitag 27. Oktober endete die WEMAKEIT-Kampagne erfolgreich, es kamen 30’625 Franken zusammen !
Wir danken allen Spendern sehr herzlich für ihre Beiträge.

Mittwoch 27. September, startete unsere WEMAKEIT-KAMPAGNE, mit der wir versuchen, die Anwaltskosten für den Rekurs zu decken. Wir haben uns für WEMAKEIT entschieden, weil die 30 000 Franken für die dringend benötigte Rechtshilfe die finanziellen Möglichkeiten der beiden Theater Keller62 und Theater STOK übersteigen.
Wir sammeln gemeinsam und wir kämpfen auch gemeinsam. Keller62 und Theater STOK. Und wir teilen uns das Geld auf. Jeder Franken hilft. Es gibt viele, sehr coole und auch lustige Belohnungen. Postet den Link, macht auf uns aufmerksam. Macht mit.

Konzeptförderung – Entscheid Gemeinderat
Am Mittwoch, 12. Juli hat der Gemeinderat über die Vorschläge des Stadtrats befunden, welche Theater unterstützt werden sollen. Dabei zeigte sich: Von ganz links bis ganz rechts ist man unzufrieden. Die traditionsreichen Kleintheater Theater Stok und Keller 62 empfanden die Jury und der Stadtrat als zu unbedeutend für die Theaterlandschaft. Bei der Abstimmung ist der Gemeinderat dem Antrag des Stadtrates gefolgt und hat  den beiden Theatern für die Jahre 2024 und 2025 einen sogenannten Abfederungsbeitrag zugesprochen. Diese Beiträge sollen es den Theatern ermöglichen, eine Zukunft ohne Subventionen zu entwickeln. Die Verantwortlichen der beiden Häuser bezweifeln allerdings, ob das möglich ist.

Rettungsversuche für Theater Stok und Keller 62

Mit einem Vorstoss versuchten Urs Riklin (Grüne) und Roger Föhn (EVP) die beiden Kleintheater noch zu retten. Das Postulat verlangt vom Stadtrat, dass er die Theater bis 2029 unterstützt, wenn dann neue Fördergelder vergeben werden. Die Stadtpräsidentin Corine Mauch zeigte sich bereit, das Postulat zu prüfen. Allerdings habe man rechtliche Bedenken, ob sich der Vorstoss umsetzen lasse. Gegen den Entscheid des Stadtrates läuft zur Zeit ein Rekurs. Der Entscheid des Bezirksrats wird im Herbst erwartet.
Das Theater Stok und der Keller62 werden also weiterhin um ihre Existenz zittern müssen.

Wir danken allen, die sich in den letzten Wochen für das Theater Stok und den Keller62 eingesetzt haben. Die unsere Petition unterstützt haben, die wir mit über 6200 Unterschriften der Stadtpräsidentin übergeben konnten, die Informationen gelesen, nachgefragt und mit uns diskutiert haben. Die sich mit Briefen, e-mails und in Gesprächen an PolitikerInnen gewandt und sich für die kleineren Theaterhäuser der Stadt Zürich und für das Theater Stok und den Keller62 stark gemacht haben. Dieser Rückhalt ist wertvoll und motivierend.

aktuell:
Postulat vom 23. August: https://www.theater-stok.ch/content/uploads/2023/08/postulat-capaul-bourgeois.png
Schriftliche Anfrage vom 23. August: https://www.gemeinderat-zuerich.ch/geschaefte/detail.php?gid=d30b3a9f8aa04b32853450519895b653
NZZ vom 29. August: https://www.theater-stok.ch/content/uploads/2023/09/NZZ-29.-Aug.-2023.pdf
NZZ vom 30. August: https://www.theater-stok.ch/content/uploads/2023/09/NZZ-30.-Aug.-2023.pdf


Petitionsübergabe